Ettore Tolomei 1. Teil

ETTORE TOLOMEI UND SÜDTIROL

Der erklärte Nationalist Ettore Tolomei (1865 Rovereto-1952 Glen/Montan) war schon früh glühender Aktivist der politischen Bewegung der „Irredenta“ – was soviel wie ‚Befreiung’ bedeutet. Im Visier der Rückführung in den neuen italienischen Nationalstaat standen die fremdbeherrschten und mehrheitlich italienisch-sprachigen Gebiete wie der Tessin, Welschtirol bis Salurn, Triest und Istrien sowie einige ehedem venezianische Abschnitte an der dalmatinischen Küste. Als Student hatte sich Tolomei für die vom Geographen Giovanni Marinelli postulierte „Wasserscheiden-Theorie“ begeistern lassen, der zufolge der Alpenhauptkamm die natürliche Nord-grenze Italiens sei und das Einzugsgebiet der Etsch vom Reschen über den Brenner bis nach Innichen umfaßte – ungeachtet der hier ansässigen ladinischen und deutschsprachigen Bevölkerung. Im folgenden Jahrzehnt beschäftigt sich Tolomei mit der Italianisierung der Südtiroler Orts-, Flur- und Familiennamen und findet im Klockerkarkopf im Ahrntal die nördlichste Erhebung seines neuen Italiens, die er nun in „Vetta d´Italia“ umtauft. Als Italien aus imperialistischen Überlegungen den Dreierbund mit Deutsch-land und Österreich-Ungarn aufkündigt, seine Neutralität aufgibt und 1915 an der Seite der Entente gegen die ehemaligen Bündnispartner in den Krieg eintritt, werden im Londoner Geheimvertrag die Gebietszuschläge für den Fahnenwechsel Italiens festgeschrieben: Tolomei hatte es verstanden, Roms Außenminister Sonnino von der Einforderung der Brennergrenze zu überzeugen. 1917 öffnet Lenin das Archiv des Zaren und man erfährt zum ersten Mal von einer Verschiebung der Grenze auf den Brennerpaß. Als aber der amerikanische Präsident Wilson in seinem 14-Punkte Friedens-programm die neuen Grenzen in Europa nach klaren Sprachgrenzen ziehen möchte, scheint ein Verlust Deutsch-Südtirols abgewendet. Im Frieden von St. Germain muß Rom jedoch zugunsten des neuen Staates Jugoslawien auf die ausgehandelten Gebiete an der Adria verzichten, wofür Wilson nun in eine Grenzverlegung auf den Brenner einwilligt. Gegen den Protest seiner eigenen Delegation und Österreichs bleibt Wilson bei seiner einsamen Entscheidung. Als Sonnino zur Rechtfertigung seiner Forderung sogar noch die von Tolomei gefälschten und italianisierten Landkarten Südtirols vorlegt und auf den frei erfundenen Grenz-Gipfel „Vetta d´Italia“ verweist, soll Wilson gesagt haben : „Der Name spricht doch für sich.“ … Die Annexion Südtirols wurde zur bitteren Gewißheit.

 

 
 

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